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von Claudia Lindenberg | Immobilienredakteurin - Journalistin

Enteignung – wann Immobilieneigentümer enteignet werden dürfen

Die Enteignung von Immobilien wird in Deutschland bereits seit Jahrzehnten praktiziert, war jedoch in der allgemeinen politischen Debatte kein aufsehenerregendes Thema. Das hat sich aufgrund der angespannten Wohnungsmarktlage mittlerweile geändert und die Enteignung wird auch im politischen Tagesgeschehen immer häufiger diskutiert und kommentiert. Doch was verbirgt sich eigentlich hinter diesem Begriff? Was hat es generell mit Enteignungen auf sich? Diese und weitere Fragen klärt immoverkauf24!

1. In welchen Fällen können Immobilieneigentümer in Deutschland enteignet werden?

Die Enteignung von Immobilien ist grundsätzlich immer dann möglich, wenn sie dem Allgemeinwohl dient. Das ist in Artikel 14 Absatz 3 Grundgesetz festgelegt. Das Problem besteht allerdings darin, dass die Definition des Allgemeinwohls vielfältig ausgelegt werden kann. Als Allgemeinwohl werden beispielsweise Infrastrukturmaßnahmen gewertet - etwa der Straßenbau oder der Ausbau des Schienennetzes. Auch der Braunkohletagebau fällt darunter. Er führt dazu, dass teils ganze Ortschaften umgesiedelt werden.

Die juristische Grundlage bilden – neben Artikel 14 GG – die Infrastrukturgesetze, etwa das Bundesfernstraßen- oder das Luftverkehrsgesetz. Zudem enthalten auch die §§ 85 bis 122 Baugesetzbuch (BauGB) Vorgaben zur Enteignung von Immobilien.

Generell gilt, dass Enteignungen immer als letztes Mittel infrage kommen. So regelt das BauGB, dass sie nur dann geeignet sind, wenn das Wohl der Allgemeinheit nicht auf anderem Wege erreicht werden kann. Eine Alternative könnte etwa darin bestehen, Eigentümer gemäß § 176 BauGB von unbebauten Grundstücken per Baugebot dazu zu verpflichten, diese zu bebauen, anstatt eine Enteignung einzuleiten. Auch dies könnte dem Allgemeinwohl (in diesem Fall in Form von mehr Wohnraum) dienen.

Eine - zumindest vorübergehende - Enteignung kann auch aus anderen Gründen gesetzlich möglich sein: So hat der Bezirk Berlin-Steglitz-Zehlendorf aufgrund des seit April 2018 geltenden Zweckentfremdungsverbot-Gesetz einen Hausbesitzer (vorübergehend) enteignet, der eine Immobilie in Berlin-Lichterfelde seit 20 Jahren nicht mehr instandgehalten hat und diese darum nicht mehr bewohnbar war. Auch Zwangsgelder hatten nicht dazu geführt, dass der Eigentümer saniert.

2. Wie kann man sich gegen eine drohende Enteignung wehren?

Eine drohende Enteignung kann durch einen Grundstücksverkauf abgewehrt werden. Allerdings steht den Betroffenen auch die Möglichkeit offen, sich juristisch gegen die Enteignung zu wehren. Vor einer tatsächlichen Enteignung steht das Enteignungsverfahren. Es sieht zunächst vor, dass die Betroffenen Stellung nehmen können. In der folgenden mündlichen Verhandlung wird versucht, eine Einigung über den Immobilienverkauf zu erzielen. Gelingt dies nicht, erlässt die zuständige Behörde einen Enteignungsbeschluss. Der Eigentümer kann dann den Rechtsweg beschreiten, um sich gegen die Enteignung zur Wehr zu setzen.

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3. Wie erfolgt bei einer Enteignung die Entschädigung beziehungsweise der Schadenersatz?

Artikel 14 und 15 GG sehen vor, dass der Eigentümer eine Entschädigung für die Enteignung erhält. Sie soll unter Abwägung der „gerechten Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten“ festgelegt werden. Eine Enteignung ohne Entschädigung verstößt grundsätzlich gegen das Gesetz, doch die Frage stellt sich, welche Entschädigungssumme als angemessen zu sehen ist. Einen Anspruch auf Schadenersatz sieht der Gesetzgeber generell nicht vor.

Enteignungen sollen gemäß der Vorgaben des BauGB entsprechend dem Verkehrswert des betreffenden Grundstücks entschädigt werden. Lediglich im Ausnahmefall darf ein niedriger als der am Markt erzielbare Wert für die Höhe der Entschädigungssumme angesetzt werden. Das Problem besteht allerdings darin, welcher Zeitpunkt der Immobilienbewertung zugrunde gelegt werden soll.  Laut BauGB soll der Verkehrswert zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Enteignung bestimmt werden.

Gemäß § 100 BauGB kann die Enteignung anstelle einer Geldzahlung auch in Form von Land erfolgen, wenn der Eigentümer dies wünscht und der neue Eigentümer über Land verfügt.

4. Was ist eine „kalte Enteignung“?

Von kalter Enteignung ist dann die Rede, wenn ein Grundstück mehr oder weniger unter Wert und zwangsweise veräußert werden muss. Dazu kann es beispielsweise kommen, wenn eine Gemeinde ein Ankaufsrecht ausübt und hierfür vertragliche Regelungen zum Kaufpreis getroffen wurden, die zu einem geringeren Verkaufspreis für den Eigentümer führen.

Lobbyisten wie etwa der Immobilienverband Deutschland (IVD) nutzen den Begriff „kalte Enteignung“ auch im Zusammenhang mit Erhaltungssatzungen, die es Gemeinden laut §172 BauGB ermöglichen, in bestimmten Gebieten strenge Sanierungsauflagen zu verhängen und zu bestimmen, an wen und zu welchem Preis verkauft werden darf. Zudem kann es passieren, dass auch Mieterhöhungen verboten werden oder eine Ausgleichsabgabe nach erfolgter Sanierung und Verkauf erhoben wird. Kaufpreisbeschränkungen können ebenfalls zu einer kalten Enteignung führen.

5. Was ist eine Umlegung beziehungsweise eine Baulandumlegung?

Von einer Umlegung oder Baulandumlegung ist dann die Rede, wenn Grundstücksflächen getauscht werden. Die gesetzlichen Vorgaben hierfür sind in den §§ 45 ff. BauGB geregelt. Das Ziel besteht darin, Grundstücke zu schaffen, die aufgrund ihrer Lage, Beschaffenheit und Größe für die bauliche oder eine andere Nutzung infrage kommen. Bei der sogenannten Erschließungsumlegung werden beispielsweise Flächen für die Anlegung von Straßen geschaffen.

Bei der Umlegung gilt unter anderem das sogenannte Privatnützigkeitsprinzip. Es besagt, dass die Umlegung nicht nur im öffentlichen, sondern auch im Interesse der Grundstückseigentümer erfolgt. Gleichwohl kommt es immer wieder zu juristischen Auseinandersetzungen, da Grundstückseigentümer mitunter in der Umlegung eine Enteignung sehen.

6. Was ist der Unterschied zwischen Enteignung und Vergesellschaftung?

Zu einer laut Artikel 15 GG möglichen Vergesellschaftung von Immobilien kam es in Deutschland bislang noch nie. Würden die Forderungen der Berliner Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ umgesetzt, käme es daher zu einem Präzedenzfall, denn obwohl die Initiative den Begriff „Enteignung“ trägt, fordern die Initiatoren juristisch gesehen die Vergesellschaftung. Diese ist laut Grundgesetz für Naturschätze, Produktionsmittel sowie Grund und Boden möglich und setzt nicht voraus, dass sie dem Allgemeinwohl dient. Sprich: Es reicht als Grund, dass diese politisch gewünscht ist.

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