Baufinanzierungspezialist Dirk Lehnert im Interview zu den aktuellen Herausforderungen im Finanzierungsbereich
Dirk Lehnert - Baufinanzierungsexperte bei BaufiTeam - berät bereits seit vielen Jahren Kunden, die auf der Suche nach einer guten und günstigen Immobilienfinanzierung sind. Dazu kann er auf ein Portfolio von über 400 Bankpartnern zugreifen und hat so für fast jeden seiner Kunden das individuell passende Kreditangebot. immoverkauf24 spricht mit ihm über die aktuelle Situation am Finanzierungsmarkt.
immoverkauf24: Im September 2022 hat die Europäische Zentralbank den Leitzins zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate erhöht. Hat dies kurzfristige Auswirkungen auf die Bauzinsen?
Dirk Lehnert: Auch ich bin davon ausgegangen, dass die Banken kurzfristig die Zinsen für Immobilienfinanzierungen anheben. Dies ist jedoch nicht geschehen. Aktuell liegen die Sollzinsen für Baufinanzierungen mit 10jähriger Zinsbindung bei 2,8% bis 3,5%. Im Januar 2022 waren es im Schnitt 1,5% weniger. Historisch gesehen sind dies noch günstige Konditionen; vergleicht man die Zinsen jedoch mit dem Zinsniveau von vor einem Jahr, dann sieht man einen Anstieg von etwa 3 Prozent. Gerade bei den aktuell noch hohen Immobilienpreisen können sich viele einen solchen Zinsanstieg nicht mehr leisten. Die Banken benötigen jedoch das Kreditgeschäft und ziehen aus diesem Grund meiner Meinung nach die Baufinanzierungszinsen nur noch moderat an. Eine Zinserhöhung, wie etwa zwischen Dezember 2021 und Januar 2022 sehe ich in naher Zukunft nicht.
immoverkauf24: Wie ist Ihre Zinsprognose für 2023?
Dirk Lehnert: Ich denke, dass die Zinsen moderat steigen werden und Ende 2022 bzw. Anfang 2023 bei etwa 4,5 bis 5 Prozent im 10jahres Bereich liegen werden.
immoverkauf24: Halten Sie in der aktuellen gesamtwirtschaftlichen Lage - hohe Kosten in fast allen Bereichen und die Sorge Vieler vor einer Rezession - einen Immobilienkauf noch für sinnvoll?
Dirk Lehnert: Ja, auf jeden Fall. Natürlich merke auch ich während meiner Beratungsgespräche, dass die Menschen unsicherer werden. Jedoch: Wohnen muss man irgendwo; zur Miete oder im Eigentum. Und da muss jeder für sich selber abwägen: Möchte ich die Immobilie meines Vermieters mit meiner monatlichen Mietzahlungen für ihn doppelt bezahlen oder lieber in mein eigenes Haus oder meine eigene Wohnung investieren? Ein weiterer Vorteil des Eigenheims ist, dass man - bei einer gut durchdachten Finanzierung - für viele, viele Jahre weiß, welche monatliche Rate zu zahlen ist. Die Miete jedoch kann vom Vermieter erhöht werden. Und auch die Möglichkeit der Kündigung wegen Eigenbedarfs fällt bei Immobilienbesitzern natürlich weg. Was man auch nicht vergessen darf: Sollte sich die finanzielle Situation eines Immobilieneigentümers verschlechtern, kann man immer mit der finanzierenden Bank sprechen und gegebenenfalls für einen Zeitraum die monatliche Belastung anpassen. Denn auch die Banken möchten einen Zwangsverkauf verhindern und suchen mit den Kreditnehmern nach Lösungen.
immoverkauf24: Wie sehen Sie Immobilien als Kapitalanlage? Ist das immer noch eine gute Geldanlage bzw. Altersvorsorge?
Dirk Lehnert: Ich denke schon, dass die Anlage in Immobilien auch jetzt noch eine solide Altersvorsorge ist. Aber es kommt natürlich immer auf die Lage an. Ich rate meinen Kunden, die zum ersten Mal in eine Immobilie investieren, eine kleine Wohnung zur Vermietung zu erwerben. Zwei-Zimmer-Wohnungen mit 60qm Wohnfläche können einfacher vermietet werden, da die Zielgruppe hier größer ist. Außerdem sind diese günstiger am Markt zu kaufen und die monatliche Belastung - sollte die Miete einmal ausfallen - überschaubar. Und auch der Wert von Immobilie in guten Lagen wird langfristig gesehen weiter steigen. Eine Immobilie als Kapitalanlage ist immer als eine langfristige Investition anzusehen. Anders sehe ich es bei Zinshäusern und Wohn- und Geschäftshäusern. Hier sind die Renditen in diesem Jahr gesunken, da das Gewinnverhältnis zwischen Mieteinnahmen und Zinsbelastung sank. Renditen in Höhe von 4 Prozent sind nicht mehr zu erwarten. Diese liegen aktuell bei etwa 2 Prozent.
immoverkauf24: In Österreich gibt es gesetzliche Vorgaben hinsichtlich der Kreditgenehmigungen. Wie ist die Situation hier in Deutschland - meinen Sie, dass es auch hier gesetzliche Vorgaben geben werden?
Dirk Lehnert: Nein, das glaube ich nicht. Vielleicht wird dies in den kommenden Monaten von der Politik vorgeschlagen, aber ich denke nicht, dass dies wirklich umgesetzt werden kann. Das ist meines Erachtens nicht notwendig, da die Banken ihre eigenen Vorgaben haben und Kreditanträge strenger prüfen, als noch vor einigen Jahren. Insofern haben auch wir eine ähnliche Regel wie die sogenannte "20/35/40-Regel" in Österreich: Viele Kunden bringen 20 Prozent Eigenkapital in die Finanzierung mit ein; die meisten Kreditinstitute bieten eine maximale Kreditlaufzeit von 35 bis höchstens 40 Jahren an. Und aktuell gibt es auch in Deutschland Banken, die darauf achten, dass die Gesamtausgaben für Kreditraten eines Kunden nicht mehr als 50 bis 60 Prozent des Nettoeinkommens betragen. Unter Kreditraten sind Baufinanzierungen, Leasingraten, Ratenkredite und auch 0%-Finanzierungen gemeint.
immoverkauf24: 20 Prozent Eigenkapital - das ist bei den aktuellen Kaufpreisen für Immobilien für viele, gerade junge Menschen eine große Hürde. Der Traum vom Eigenheim rückt so dann doch wieder in die Ferne ...
Dirk Lehnert: Aber auch hier gibt es Möglichkeiten. Denn die 20 Prozent Eigenkapital sind nicht in Stein gemeißelt. Hat der Kunde eine gute Bonität - also ein gutes und gesichertes Einkommen, keine weiteren Kleinkredite, die die Schufa negativ beeinflussen und ein langjähriges Beschäftigungsverhältnis bei seinem Arbeitgeber - dann ist auch eine Immobilienfinanzierung ohne Eigenkapital durchaus machbar. Hier spreche ich zum Beispiel von sogenannten "Eigenkapitalersatzdarlehen", die einige Kreditinstitute anbieten. Natürlich sind dann die Kreditrate und auch die Kreditzinsen etwas höher. Das sollte den Kunden bewusst sein.
immoverkauf24: Wer mit einer Wohnung zur Vermietung als Anlageimmobilie liebäugelt, der sollte aber Eigenkapital mit einbringen?
Dirk Lehnert: Richtig. Wer eine Kapitalanlage kaufen möchte, sollte vorher auch Kapital angespart haben. Und dieses dann auch mindestens für die Kaufnebenkosten in die Finanzierung einbringen. Wenn dann noch weiteres Kapital vorhanden ist, um vielleicht nur 90 Prozent des Kaufpreises oder noch weniger zu finanzieren, erhöht sich Wahrscheinlichkeit einer Bankzusage und auch der Zinssatz wird besser.
immoverkauf24: Macht es aus Sicht der Banken einen Unterschied, ob es sich um einen Neubau oder um eine Bestandsimmobilie handelt?
Dirk Lehnert: Nein, das macht für die Banken keinen Unterschied. Auch bei Neubauprojekten gucken sich die Banken den Wert des Grundstücks und der dann darauf stehenden Immobilie an und gehen nicht von den reinen Baukosten aus. Bei Bestandsimmobilien zählt für die Banken nicht der Kaufpreis als Immobilienwert, sondern der tatsächliche Marktwert. In beiden Fällen kann es also dazu kommen, dass die Bank den Wert des Hauses oder der Wohnung herabsetzt und doch Eigenkapital bzw. ein Eigenkapitalersatzdarlehen fordert oder einen Sicherheitsaufschlag auf den Zinssatz vornimmt. Einige meiner Kunden haben bei einem Neubau allerdings gemerkt, dass "made in germany" nicht mehr die gleiche Qualität wie früher bedeutet. Mängel am Bau, längere Bauzeiten und Nachfinanzierungen kommen leider durchaus vor.
immoverkauf24: Vielen Dank Herr Lehnert für das interessante Gespräch. Könnten Sie uns zusammenfassend sagen, auf was Kreditnehmer achten sollten?
Dirk Lehnert: Gerne! Meine langjährige Erfahrung im Bereich der Immobilienfinanzierung hat gezeigt: 95 Prozent meiner Kunden erhalten ein Immobiliendarlehen. Stimmt die Bonität, dann ist auch eine Finanzierung mit sehr geringem Eigenkapital möglich. Daher sollten sich gerade junge Menschen immer gut überlegen, einen Konsumentenkredit aufzunehmen, wenn doch eigentlich der Immobilienerwerb mit Kreditaufnahme angedacht ist. Jeder Kredit beeinflusst die Bonität negativ. Jede Bank prüft den Kreditantrag sorgfältig und lässt sich in einigen Fällen - zum Beispiel bei befristeten Arbeitsverträgen oder noch in der Probezeit befindlichen Antragstellern - sogar einen Lebenslauf geben. Auch die Immobilie selber wird sorgfältiger geprüft, als noch vor einigen Jahren. Eine gute Finanzierungsberatung von einem bankenunabhängigen Finanzierungsberater ist meiner Meinung nach der wichtigste Schritt zur Verwirklichung des Traums von der eigenen Immobilie.
Werdegang von Dirk Lehnert
Dirk Lehnert absolvierte eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Berliner Sparkasse, wo er sein Interesse für das Kreditgeschäft - insbesondere für die Immobilienfinanzierung und Bausparprodukte - entdeckte. Seit Anfang der 90er Jahre arbeitete er als Finanzierungsberater und auch als Abteilungsleiter bei einer Bausparkasse, bevor er sich als Baufinanzierungsspezialist selbstständig machte. Seit 2010 ist Herr Lehnert für BaufiTeam in Hamburg tätig.