Sonder-AfA für Mietwohnungsbau: Wieso, weshalb, warum?
Tim Schulenburg, Architekt und Projektplaner, erläutert im Experteninterview die neue Sonder-AfA, durch die neu erbaute Mietwohnungen gefördert werden: Welche Wohnungen subventioniert werden und welche nicht, an welche Voraussetzungen die Förderung geknüpft ist, mit welchen Ziel sie eingeführt wurde und wie erfolgsversprechend das Vorhaben ist.
immoverkauf24: Nach monatelangem Ringen hat die große Koalition jüngst einem Gesetz zur steuerlichen Förderung des Mietwohnungsneubaus, der sogenannten Sonder-AfA zugestimmt. Was sind die Kernpunkte des Gesetzes?
Tim Schulenburg: Kernpunkte sind, dass private Investoren jährlich fünf Prozent der Anschaffungs- und Herstellungskosten einer neuen Mietwohnung steuerlich geltend machen können. Und zwar zusätzlich zur bereits geltenden linearen Sonderabschreibung über zwei Prozent. Diese zusätzliche Abschreibungsmöglichkeit ist befristet für vier Jahre: Bauherren können also in den ersten vier Jahren insgesamt 28 Prozent der Anschaffungs- und Herstellungskosten einer neuen Mietwohnung abschreiben.
Sonder-AfA: Abschreibungen von 28 Prozent in den ersten vier Jahren möglich
Es sind übrigens nicht nur vollständig neu erbaute Gebäude, die profitieren, sondern auch neuer Wohnraum in Bestandsgebäuden; also etwa Dachgeschosswohnungen, die durch Ausbau entstehen oder Gewerbeflächen, die zu Mitwohnungen umgewidmet werden.
immoverkauf24: An welche Voraussetzungen bzw. Bedingungen ist die Förderung geknüpft?
Tim Schulenburg: Es gibt mehrere Voraussetzungen, an die eine Förderung geknüpft ist:
- Die Sonder-AfA gilt für neu gebaute Wohnungen, für die ein Bauantrag im Zeitraum zwischen dem 1. September 2018 und dem 31. Dezember 2021 gestellt wurde – oder noch wird.
- Außerdem müssen die Wohnungen mindestens zehn Jahre lang als Mietwohnungen genutzt werden. Und die Vermietung muss dauerhaft sein, so steht es auch im Gesetz. Damit will der Gesetzgeber sicherstellen, dass die neuen Wohnungen nicht als Ferienwohnungen vermietet werden. Halten die Bauherren bzw. Eigentümer sich nicht daran, müssen sie die erhaltene Förderung zurückzahlen.
- Weitere Bedingung: Die Bau- und Anschaffungskosten dürfen 3.000 Euro pro Quadratmeter nicht überschreiten. Diese Deckelung hat der Gesetzgeber eingeführt, um die Subventionierung von Luxuswohnungen zu vermeiden.
- Und die Abschreibung ist auf maximal 2.000 Euro pro Quadratmeter beschränkt – bis zu dieser Kappungsgrenze können private Investoren und Bauherren also die fünf Prozent Sonder-AfA plus die zwei Prozent lineare Abschreibung jährlich geltend machen.
immoverkauf24: Welche Kosten sind in den Bau- und Anschaffungskosten genau enthalten?
Tim Schulenburg: Also, Grundstückskosten sind in den 3.000 Euro schon mal nicht enthalten. Nebenkosten fallen hingegen darunter: also die Maklercourtage, Kosten für Notar und Grundbucheintrag sowie die Grunderwerbsteuer. Die kann ja je nach Bundesland zwischen 3,5 und 6,5 Prozent der Erwerbskosten betragen.
Diese Anschaffungsnebenkosten sind also bei den 3.000 Euro miteinzukalkulieren. Folglich müssen die reinen Herstellungskosten tatsächlich unterhalb von 3.000 Euro pro Quadratmeter liegen, damit die Deckelung nicht überschritten wird.
immoverkauf24: Was will die Bundesregierung mit der Sonder-AfA erreichen?
Tim Schulenburg: Ziel ist, den Bau bezahlbarer Wohnungen anzuregen. Deshalb ja auch die Begrenzung der Bau- und Anschaffungskosten, damit verstärkt erschwinglicher Wohnraum geschaffen wird. Die Bundesregierung hofft darauf, dass mit der Abschreibemöglichkeit bis zu 600.000 Mietwohnungen gefördert werden.
Durch die Begrenzung der Herstellungs- und Anschaffungskosten soll erschwinglicher Wohnraum geschaffen werden
immoverkauf24: Was kostet die Sonder-AfA und wie soll sie finanziert werden?
Tim Schulenburg: Wenn man der Kalkulation der Bundesregierung Glauben schenkt, dann kostet sie den Staat bis Ende 2022 ca. 410 Millionen Euro. Davon sollen etwa 174 Millionen auf das Konto des Bundes gehen, ca. 154 Millionen Euro sollen von den Ländern kommen. Die Kommunen müssen um die 82 Millionen Euro beisteuern.
immoverkauf24: Warum hat es so lange gedauert, bis die große Koalition sich geeinigt hat?
Tim Schulenburg: Bund und Länder konnten sich lange nicht auf eine geeignete Art einigen, den Mietwohnungsbau zu fördern. Der Bundestag hatte die Neuregelung ja schon Ende 2018 verabschiedet, der Bundesrat musste das Gesetz jedoch noch absegnen. Und das tat er eine ganze Weile nicht. Erst jetzt, Ende Juni 2019, konnte er sich dazu durchringen. Kritikpunkte waren z.B., dass im Gesetz keine Begrenzung der Miethöhe steht und somit nicht gesichert sei, dass die Wohnungen auch zu vertretbaren Preisen vermietet werden. Und auch dass die Begrenzung der Anschaffungs- und Herstellungskosten von 3.000 Euro pro Quadratmeter nicht realistisch seien, haben einige Länder-Vertreter moniert.
immoverkauf24: Sind die Streitpunkte denn nun im vorliegenden Gesetz beigelegt?
Tim Schulenburg: Nein, eine Miethöhe ist nach wie vor nicht im Gesetz festgeschrieben. Und auch die Deckelung auf 3.000 Euro Quadratmeter hat sich nicht verändert. Allerdings gibt es Überlegungen, die Grenze auf 3.500 Euro in Regionen mit angespannter Wohnungslage anzuheben – aber das ist noch nicht offiziell bestätigt.
immoverkauf24: Welchen Meinungen zur Sonder-AfA sind aus der Immobilienbranche zu hören?
Tim Schulenburg: Tja, nicht wenige Experten meinen, dass die steuerliche Förderung eben nicht zu wesentlich mehr Neubau-Aktivitäten führen würde. Zum einen monieren sie, dass der zeitliche Rahmen für die Förderung zu eng sei: Vor allem der Start am 1. September sei zu kurzfristig. Außerdem sind andere Faktoren, die den Neubau bremsen, eben weiterhin vorhanden: dass Bauherren und Investoren viel zu lange auf Baugenehmigung warten müssen; dass Bauunternehmen häufig gar keine Kapazitäten mehr haben, um noch mehr Wohnungen zu bauen.
Kritik aus der Immobilienbranche: Sonder-AfA ist nicht der richtige Hebel für mehr Wohnungsbau
Und natürlich, wie bereits erwähnt: dass die Begrenzung der Herstellungs- und Anschaffungskosten auf 3.000 Euro pro Quadratmeter unrealistisch, also zu niedrig ist, um damit in Großstädten und teureren Wohngebieten mehr Wohnungen zu erbauen.
immoverkauf24: Wie schätzen Sie persönlich die Sonder-AfA ein?
Tim Schulenburg: Die Sonder-AfA ist für private Investoren ein Anreiz in den Wohnungsmarkt zu investieren – jedoch ist es meiner Meinung nach der falsche Ansatz. Effektiver wäre es, die Programme für den öffentlich geförderten Wohnungsbau, z.B. über die IFB in Hamburg, auszuweiten. Denn es besteht ein sehr großer Bedarf an bezahlbaren Wohnungen – in Hamburg hat etwa ein Viertel der Bevölkerung Anspruch auf geförderten Wohnraum und kann sich jetzt schon keine zentral gelegene Mietwohnung in der Stadt leisten. Mit der Sonder-AfA wird solcher Wohnraum nicht geschaffen. Denn auf dem freien Mietmarkt gibt es nur die Mietpreisbremse um die Mieten zu drosseln, und die greift, wie wir wissen, bisher nicht.
Die Sonder-AfA wird den Markt zudem nur kurzfristig anheizen, der Druck auf die Bauindustrie erhöht und das treibt die Preise weiter. Die Konsequenz könnte sein, dass die Baupreise noch einmal steigen. Sinnvoller wäre es, langfristig Steuergelder in den geförderten Wohnungsbau zu investieren, da diese Maßnahmen gezielter und nachhaltiger sind.