Ist das bayerische Grundsteuer-Modell verfassungswidrig?
Die bayerische Version der Grundsteuer ist verfassungswidrig – zu diesem Ergebnis kommt ein juristisches Gutachten, das von den Grünen im bayerischen Landtag beauftragt worden war. Im Freistaat soll ab 2025 das sogenannte Flächenmodell gelten, bei dem die Höhe der Grundsteuer maßgeblich von der Grundstücksgröße und der Fläche des Gebäudes abhängt. Faktoren wie die Lage sowie andere Wertfaktoren von Grundstück und Immobilie fließen nicht mit ein.
Bayerisches Flächenmodell berücksichtig nicht die Lage der Immobilien
Genau dies kritisiert der Autor der Studie, der Potsdamer Universitätsprofessor Thorsten Ingo Schmidt: „Ich habe erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Bayerische Grundsteuer als Flächensteuer. Die Flächensteuer behandelt das in die Jahre gekommene Einfamilienhaus in Stadtrand-Lage genauso wie die Villa in der Innenstadt".
Die Novelle der bayerischen Grundsteuer ist von CSU und Freien Wählern im Kabinett bereits abgesegnet worden. Die Kritik am Gesetz wies Finanzminister Albert Füracker (CSU) zurück: "Das Bayerische Grundsteuermodell ist ein Musterbeispiel für ein unbürokratisches Steuergesetz, einfach und transparent", entgegnete er. Die Grünen fordern hingegen, den Bodenwert als Bemessungsgrundlage hinzuzuziehen, um die Grundsteuer gerechter zu gestalten.
Verfassungsgericht fordert Wertentwicklung von Grundstücken zu berücksichtigen
Das Bundesverfassungsgericht hatte die bisher noch gültige Grundsteuer im April 2018 für verfassungswidrig erklärt und eine Überarbeitung des Gesetzes sowie dessen Umsetzung ab 2025 gefordert. Kernkritik der Richter:innen: Die Bemessungsgrundlage für die Steuer, der sogenannte Einheitswert, ist veraltet und hat sich von der tatsächlichen Wertentwicklung der Immobilien völlig entkoppelt. Die Erhebung der Steuer sei deshalb für die Bürger:innen nicht mehr nachvollziehbar und verletze den Gleichheitsgrundsatz. In der Begründung zum Urteil sagte der Vorsitzende des Ersten Senats, Ferdinand Kirchhof: "Grundstücke in Citylagen oder in bevorzugten Wohnlagen besitzen heute angesichts rasant steigender Immobilienpreise viel höhere Verkehrswerte als Grundstücke in Randlagen.“
Tatsächlich beinhaltet das bayerische Modell diese vom Bundesverfassungsgericht gefordert Berücksichtigung der Wertentwicklung der Immobilien nicht. Dass der Freistaat an seinem Modell noch einmal nachjustieren muss, ist deshalb nicht ganz unwahrscheinlich. Die bayerischen Grünen prüfen bereits die Möglichkeit einer Verfassungsklage.
Hintergrund: Die Problematik der Grundsteuer-Erhebung
Eigentlich ist der Einheitswert jener Faktor, mit dessen Hilfe die Grundsteuerbemessung dem Verkehrswert der Grundstücke und Immobilien zumindest nahekommen soll. Deshalb sollte der Wert gemäß § 21 Abs. 1 BewG (Bewertungsgesetz) alle sechs Jahre neu bestimmt werden. Da dies unterblieb, wird bis heute in Westdeutschland mit Einheitswerten von 1964 und in Ostdeutschland von 1935 gerechnet.
Das in Folge des Urteils vom Finanzministerium erarbeitete neue Bundesmodell zur Erhebung der Grundsteuer trägt der Wertentwicklung von Immobilien zwar Rechnung: Es werden Grundstücksfläche, Bodenrichtwert, Immobilienart, Nettokaltmiete, Gebäudefläche und das Gebäudealter berücksichtig. Jedoch ist das Modell kompliziert und erfordert eine erneute Immobilienbewertung aller Objekte. Bayern hatte sich massiv gegen das Bundesmodell gewehrt und erreicht, dass eine Öffnungsklausel den Bundesländern eigene Modelle zur Erhebung der Grundsteuer ermöglicht.
Hier zu finden: Eine Übersicht, welches Bundesland welche Pläne zur Grundsteuererhebung hat