BGH-Urteil: Mieter dürfen rückwirkend Miete mindern
Mit einem Urteil zu Mietminderungen (AZ VIII ZR 100/18) stärkt der Bundesgerichtshof Mietern den Rücken: Diese hatten aufgrund fehlender Rechtskenntnisse ihrer Vermieterin jahrelang die volle Miete überwiesen, obwohl ihre Wohnung einen gravierenden Mangel aufwies und sie dies auch angezeigt hatten. Im Nachgang forderten sie den Mietminderungsanteil der bereits gezahlten Mieten zurück.
Fauliger Geruch in der Küche – Geruchsbelästigung als Mietmangel
Der Fall: Seit Januar 2011 wurden die Bewohner einer Mietwohnung von einem üblen Geruch in der Küche geplagt. Die Geruchsbelästigung meldeten sie ihrer Vermieterin im März 2013, jedoch ließ diese die Ursache erst im Dezember 2015 beseitigen. Zwei Monate zuvor hatten die Mieter per Mail angefragt, ob sie die Miete um 15 % mindern könnten. Die Mietminderung wollten die Bewohner rückwirkend durchführen, nämlich seit dem ersten Auftreten des Geruchs. Die Vermieterin wies die Forderung mit der Begründung zurück, die Mieter hätten die volle Miete trotz Kenntnis des Mangels überwiesen und damit ihr Recht auf Mietminderung in diesem Zeitraum verwirkt. Die Mieter bezahlten daraufhin zwar ausstehende Mieten, reduzierten diese jedoch monatlich um jeweils 15 % seit Januar 2011. Daraufhin zog die Vermieterin vor Gericht.
Der Rechtsstreit um die Mietminderung geht durch drei Instanzen
Das Amtsgericht Berlin-Mitte entschied in erster Instanz zugunsten der Vermieterin: Zwar sprach es den Mietern das Recht der Mietminderung zu, allerdings nur für November 2015, also nach Ankündigung der Mietminderung, und lediglich um 10 % der Bruttomiete. Das Urteil begründeten die Richter damit, dass die Mieter die volle Miethöhe weiterhin gezahlt hätten, obwohl sie den Mangel kannten.
Die Mieter akzeptierten das nicht, der Fall ging in die zweite Verhandlungsrunde und kam vor das Landgericht Berlin. Dessen Richter urteilten zugunsten der Mieter, denn diese hätten in Unkenntnis der Gesetzeslage die Miete nicht gemindert.
Darauf ging die Vermieterin in Berufung und der Fall landete vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Der Mietrechtssenat bestätigte das Urteil des Landgerichts und verwies dabei auf §814 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), der besagt: „Das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war (…).“
Ihr Unwissen begründet den Anspruch der Mieter auf eine Mietminderung auch nach langer Zeit
Übersetzt heißt das, Mieter können ihre zu viel gezahlte Miete nicht zurückfordern, wenn sie ihre Mietminderungs-Rechte kennen. Da die betroffenen Bewohner diese aber nicht kannten, wie ihre Mails an die Vermieterin mit der Frage nach einer möglichen Mietminderung belegten, hätten sie das Recht zur rückwirkenden Mietminderung eben doch. Jedoch sei eine Mietminderung von 15 Prozent nicht angebracht, sondern lediglich 10 Prozent der Bruttomiete.
Fazit: Nach der neuen Rechtsprechung des BGH können Mieter sich also auch nach einem längeren Zeitraum noch darauf berufen, die Rechtslage falsch eingeschätzt zu haben.
Aber: Wer einen Mangel angezeigt hat und den vollen Mietzins trotzdem zahlt, verliert in der Regel wahrscheinlich auch weiterhin den Anspruch auf Rückzahlung des geminderten Betrages. Denn Entscheidung des BGH betraf einen Fall, der sich von anderen Fällen einem Aspekt wesentlich unterscheidet: die umfassende Unkenntnis des Mieters des Minderungsrechts.
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