Geteilte Meinungen zur Bilanz der Wohnraumoffensive
Bezahlbares Wohnen und Bauen in Deutschland ermöglichen – das war Ziel der Wohnraumoffensive, die die Bundesregierung im September 2018 auf den Weg gebracht hat. Unter anderem wollten CDU/CSU und SPD bis Ende 2021 insgesamt 1,5 Millionen neue Wohnungen und Häuser bauen, in den sozialen Wohnungsbau investieren und die Mieterrechte stärken. Jetzt, zweieinhalb Jahre später, hat das zuständige Bundesministerium des Innern für Bau und Heimat eine Bilanz gezogen, die nach seiner Einschätzung „außergewöhnlich erfolgreich“ ausfällt. Kritiker aus Politik und Immobilienbranche sehen das anders. immoverkauf24 gibt einen Überblick über die wichtigsten Eckpunkte der Wohnraumoffensive inklusive erster Einschätzungen.
Was sind die wichtigsten Eckpunkte der Wohnraumoffensive?
- Neubau von 1,5 Millionen Wohnungen
Hier hatte sich schon Ende 2020 gezeigt, dass voraussichtlich lediglich 1,2 Millionen neue Wohnungen bis Ende 2021 geschaffen werden würden. Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) erklärte dennoch bei der Präsentation des Umsetzungsstands, das Ziel von 1,5 Millionen sei erreicht, weil er auch genehmigte, aber noch nicht fertiggestellte Wohnungen mit einrechnete. - Stärkung des sozialen Wohnungsbaus
Die Kompensationsmittel des Bundes wurden für das Jahr 2019 um 500 Millionen Euro auf insgesamt 1,5 Milliarden Euro aufgestockt. Weitere 1 Milliarde Euro an Bundesfinanzhilfen werden bis 2024 jährlich folgen. Außerdem erfolgte eine Grundgesetzänderung, so dass sich der Bund auch ab 2020 am sozialen Wohnungsbau beteiligen kann. - Verbesserung des Mieterschutzes und Sicherung des bezahlbaren Wohnens
Was diesen Punkt betrifft, ist unter anderem 2019 das Mietrechtsanpassungsgesetz in Kraft getreten, das die Dämpfung des Anstiegs auch bei Bestandsmieten sichert. Die Mietpreisbremse wurde bis 2025 verlängert und das Wohngeld um etwa ein Drittel erhöht. Ab 2022 soll es eine zweijährliche Anpassung des Wohngelds geben. - Verbesserung der Baulandbereitstellung
Um den Hausbau voranzutreiben, müssen neue Baugrundstücke ausgewiesen werden. Hier wurde im November 2020 der Entwurf zum Baulandmobilisierungsgesetz beschlossen. Darin enthalten ist allerdings auch das sogenannte Umwandlungsverbot von Miet- in Eigentumswohnungen, das viele Kritiker auf den Plan gerufen hatte. Der Vorwurf: Die Regelung beschneide Eigentumsrechte und würde potenzielle Immobilienbesitzer an einem Wohnungskauf hindern. Am Ende wurde ein angepasster Entwurf beschlossen. Dieser sieht im Wesentlichen vor, dass die Länder für maximal fünf Jahre in bestimmten Gebieten eine explizite Genehmigung für die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen erteilen müssen. In angespannten Wohnungsmärkten können somit Umwandlungen gänzlich verboten werden. - Senkung der Maklerkosten
Bei einem Immobilienverkauf gilt seit Dezember 2020 in allen Bundesländern die Regelung, dass nicht mehr der Käufer einer Wohnung einseitig die Maklerprovision für den Immobilienmakler trägt, sondern Käufer und Verkäufer in gleicher Höhe belastet werden. - Erleichterung von baulichen Maßnahmen in Eigentümergemeinschaften
Hier trat zum Dezember 2020 die Reform des Wohnungseigentumsgesetzes in Kraft, das im Wesentlichen eine Änderung notwendiger Mehrheiten bei baulichen Veränderungen, mehr Klimaschutz und eine Neuregelung der Position der Hausverwaltung im Verhältnis zur Eigentümergemeinschaft vorsah.
Kritik an "Griff in die Trickkiste der Statistik" beim Wohnungsneubau
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte zwar, „man habe doch einiges zustande gebracht“. Gleichwohl räumte sie ein, dass noch viel zu tun sei und dass das Thema Wohnen auch die kommende Bundesregierung beschäftigen werde. Das sahen die Kritiker ähnlich, die insgesamt einige Ziele als schlichtweg verfehlt einstuften und mit der Bilanz hart ins Gericht gingen. Es sei zum Beispiel ein „unfairer Griff in die Trickkiste der Statistik“, das Ziel von 1,5 Millionen Wohnungen als erfüllt zu bezeichnen, wenn man auch nicht fertiggestellte Wohnungen hinzurechne, kritisierte etwa Robert Feiger, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft IG BAU. Dass die Regierung vor allem beim sozialen Wohnungsbau versagt habe, fügte Lukas Siebenkotten vom Deutschen Mieterbund hinzu. In der Summe werde die Zahl der Sozialwohnungen nämlich immer kleiner.
Den Aspekt, dass Sozialwohnungen üblicherweise nach 30 Jahren aus der Preisbindung herausfallen und sich dadurch in den vergangenen 15 Jahren ihre Zahl deutschlandweit halbiert hat, griff auch Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt auf. „Diesen sozialen Raubbau hätte Horst Seehofer mit einem neuen Gesetz, das Sozialwohnungen dauerhaft sichert, verhindern können“, sagte sie. Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali machte vor allem „Immobilienkonzerne und Spekulanten“ für die Misere verantwortlich. Solange ihnen der Wohnungsmarkt überlassen werde, würden die Preise weiter steigen, befand sie. Dass diese Gefahr nicht aus der Luft gegriffen ist, verdeutlichte der Eigentümerverband Haus & Grund: „Internationale Fondsgesellschaften verdrängen private Vermieter als Eigentümer, die resigniert aufgeben“, sagte Verbandspräsident Kai Wernecke. Für finanzschwache Mieter sei das ein Nachteil.
Immobilienverbände fordern Lösung der Bauland-Problematik und stärkere Digitalisierung
Auch andere Vertreter von Immobilienverbänden reagierten verhalten auf die Bilanz und sahen noch viel Verbesserungsbedarf. Vor allem die Bauland-Problematik in Großstädten sowie die Frage, wie bezahlbare Wohnungen geschaffen werden können, war ihrer Ansicht nach noch immer nicht gelöst. „Bauland ist die Grundvoraussetzung für bezahlbaren Wohnraum, die nur die Kommunen durch Baulandausweisung schaffen können“, erklärte Andreas Ibel, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland (BID) und Präsident des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW). Dabei gehe es nicht um die Vernichtung ökologisch wertvoller Flächen, sondern überwiegend um die Umnutzung vorhandener Brachflächen, betonte er.
Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbands GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, der mit seinen 15 Mitgliedsverbänden einen Bestand von circa 6 Millionen Wohnungen und 30 Prozent des Mietwohnungsbestands in Deutschland repräsentiert, sah mit der Wohnraumoffensive zwar einiges erreicht. „Aber insgesamt ist zu wenig passiert und alles läuft viel zu analog.“ Er forderte unter anderem, die Wohngeldvergabe, alle Planungsprozesse und ein Kataster über alle bebaubaren Grundstücke zu digitalisieren. Um all das koordiniert umzusetzen, brauche es endlich ein eigenständiges Bundesministerium für Wohnen und Bauen, befand er.