Entwicklung der Bauzinsen - Steht eine Zinswende kurz bevor?
Die Europäische Zentralbank (kurz EZB) kündigte nach einer Ratssitzung in Amsterdam am 09. Juni 2022 an, den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte am 21. Juli 2022 anzuheben.
Aktuell liegt der Leitzins bei 0,0 Prozent
Der Hauptrefinanzierungssatz liegt seit über einem Jahrzehnt bei 0,0 Prozent. Das heißt konkret: Zu diesem Zinssatz können Geschäftsbanken bei der EZB Geld leihen und dieses als Kredite an ihre Kunden weitergeben. Der Einlagenzins - auch "Strafzins" genannt - liegt sogar unter 0 Prozent bei -0,5 Prozent. Zu diesem Zinssatz dürfen Geschäftsbanken über Nacht Geld bei der EZB hinterlegen. Auch diesen "Negativzins" geben einige Banken an ihre Sparkunden weiter: Wer dort Geld auf einem Sparkonto anlegt, der erhält keine Zinsen und muss ggf. sogar draufzahlen.
Warum zögerte die EZB so lange mit der Leitzinserhöhung?
Die US-Notenbank (kurz Fed genannt) sowie die Bank of England erhöhten bereits vor einigen Monaten die Leitzinsen in den USA und in Großbritannien; die Europäische Zentralbank hält seit über 11 Jahren an ihrer Geldpolitik der niedrigen Zinsen fest. Das Ziel war es, die durch die Finanzkrise im Jahr 2008 geschwächte Wirtschaft in der EU mit der Vergabe von zinsgünstigen Krediten an Unternehmen, aber auch an verschuldete EU-Staaten, wieder anzukurbeln. Mit einer Erhöhung des Realzinssatzes besteht nun für weiterhin hoch verschuldete Länder das Risiko, in eine erneute "Euro-Krise" zu gelangen. Dies gilt insbesondere für Griechenland, Frankreich, Spanien, Portugal und Italien. Hier liegt die Staatsverschuldung bei über 100 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Verschuldungsquote im Jahr 2021 bei knapp 70 Prozent. Auch muss die EZB die aktuell erneut sehr angespannte wirtschaftliche Lage im Euro-Raum im Blick behalten. Der Krieg in der Ukraine und auch die Covid19-Pandemie geben hier Anlass zur Sorge, wenn die Schuldenaufnahme für die Euro-Länder jetzt teurer wird.
Warum erhöht die EZB den Zinssatz nun Ende Juli 2022?
Ein geldpolitisches Ziel der Europäischen Zentralbank ist es, die Inflationsrate auf einem Niveau von 2 Prozent zu halten. Doch dieses Ziel liegt aktuell in weiter Ferne. Im Mai 2022 betrug die Inflationsrate 7,9 Prozent im Gegensatz zum Vorjahresmonat und das spüren die Verbraucher: Die Preise für Lebensmittel und Energie steigen stetig an. Mit einer Leitzinserhöhung kann die EZB diesem Trend entgegensteuern. Auch wenn das vorgenannte Risiko einer "Euro-Krise" vorhanden ist, ist ein möglicher Stopp des Inflationsanstiegs zur Zeit wichtiger. Das große Ziel der EZB ist es, die Preise und Wirtschaftsleistung stabil im Gleichgewicht zu halten.
Welchen Einfluss hat der Refinanzierungszins auf die Inflation?
Der Leitzins hat nur einen indirekten Einfluss auf die Inflationsrate. Mit diesem geldpolitischen Instrument steuert die EZB die Geldmenge im Euro-Raum. Das heißt:
- Ist der Leitzins niedrig, dann steht dem Markt mehr Geld zur Verfügung. Dies hat zur Folge, dass der einzelne Euro weniger Wert hat und die Preise für Güter zunehmen = Die Inflationsrate steigt.
- Steigt der Leitzins an, dann verringert sich die Geldmenge am Markt und der Wert des Euros erhöht sich. Folge: Die Preise sinken = Die Inflationsrate sinkt.
Daher: Eine Erhöhung des Leitzinses Ende Juli 2022 hat leider keine unmittelbare positive Auswirkung auf Preise und Inflationsrate. EZB-Präsidentin Christine Lagarde dämpfte hier die Hoffnung: "Es ist kein Schritt. Es ist eine Reise."
Was plant die EZB weiter?
Nach der Ratssitzung Anfang Juni 2022 gab Christine Lagarde bekannt, dass weitere Zinserhöhungen in 2022 wahrscheinlich sind. Sollte die Inflationsrate auch nach der Leitzinserhöhung von 0,25 Prozent Ende Juli steigen, dann dürften die Währungshüter im September noch stärker nachlegen.
Wie wird sich die Realzinserhöhung auf Sparer & Kreditnehmer auswirken?
Für Sparer bedeutet der Zinsanstieg ein Ende der Negativzinsen auf Sparkonten. In Zukunft kann es wieder Guthabenzinsen für Geld auf Sparbüchern oder Tagesgeldkonten geben.
Für Kreditnehmer oder Immobilienkäufer, die planen einen Immobilienkredit aufzunehmen, kann ein Ende der Niedrigzinspolitik der EZB auch ein Ende der historisch niedrigen Kreditzinsen bedeuten. Jedoch sind die Zinsen für Immobilienfinanzierung bereits seit Januar 2022 stark angestiegen: Konnten Kreditnehmer im Januar noch einen Immobilienkredit bei 10jähriger Zinsbindung mit einem Effektivzins in Höhe von etwa 1 Prozent erhalten, müssen aktuell mit etwa 2,8 Prozent gerechnet werden. Ein weiterer Anstieg der Kreditzinsen ist wahrscheinlich. Um sich gegen steigende Zinsen abzusichern, raten wir, sich bereits sehr zeitig um eine Anschlussfinanzierung zu bemühen und bei neuen Immobiliendarlehen auf möglichst lange Zinsbindungen zu setzen.
Welche Auswirkungen hat die Leitzinserhöhung auf die Immobilienpreise?
Immobilienexperten erwarten durch die Leitzinserhöhung nur einen leichten Dämpfer auf die aktuell sehr hohen Immobilienpreise. Dr. Niels Jacobsen meint hierzu: "Eine Erhöhung der Kreditzinsen für Immobilienfinanzierungen werden die steigenden Immobilienpreise einbremsen und stagnieren lassen; ein Platzen der Immobilienblase oder gar ein "Immobiliencrash" ist aber nicht zu erwarten."Der Grund dafür liegt in der weiterhin noch sehr hohen Nachfrage nach Häusern und Wohnungen. Solange die Wirtschaft die aktuellen Krisen auch zukünftig gut verkraftet und die Arbeitslosenzahlen auf niedrigem Niveau bleiben, würden die "Immobilienpreise aufgrund des strukturellen Mangels an Wohnraum vermutlich auch mittelfristig hoch bleiben". (Quelle: haufe)