Musterfeststellungsklage: Verdoppelung der Miete nach Modernisierung rechtens?
Das Oberlandesgericht München hatte in der ersten Musterfeststellungsklage im deutschen Mietrecht zu klären, ob eine verdoppelte der Miete nach Modernisierung rechtens sei. Dafür galt es zu klären, ob die alte oder neue Version der Mietpreisbremse gültig ist. Für die Mieter war das eine Frage des Ausziehens oder Wohnenbleibens.
2019 wurde bereits zweimal die Mietpreisbremse verschärft: Seit Anfang des Jahres können Vermieter u.a. nur noch 8 Prozent der Modernisierungskosten auf die Mieter umlegen, zuvor waren es 11 Prozent. Vermieter, die also noch 2018 die Modernisierungen begannen, konnten damit noch deutlich mehr Kosten an die Mieter weiterreichen.
Gilt die Mietpreisbremse 2018 oder 2019?
So auch der Plan eines Immobilienunternehmens, das in München eine Wohnanlage mit 230 Mietwohnungen betrieb. Ende 2018 kündigte der Vermieter den Bewohnern an, dass umfangreiche Modernisierungen für einen Großteil der Wohnungen vorgesehen seien: von Wärmedämmungen, über den Austausch von Fenstern und Türen bis zu Balkonanbauten. Die Baumaßnahmen sollten frühestens im Dezember 2019 beginnen. Und: Die Kosten würden nach Beendigung der Baumaßnahmen zu elf Prozent auf die Mieter umgelegt: Bis Ende 2018 galt diese Umlegungsquote noch ohne zeitliche Begrenzung, sogar über die Amortisierung hinaus. Folge für viele der Bewohner: Ihre Miete würde sich fast verdoppeln, in einem Fall hätte die Mieterhöhung sogar satte 163 Prozent betragen.
Erste Musterfeststellungklage im deutschen Mietrecht
Daraufhin strengte der Deutsche Mieterbund (DMB) eine Musterfeststellungsklage stellvertretend für 120 Mieter an. Das Argument: Die eigentlichen Bauarbeiten würden erst 2019 Beginnen – und damit unter die verschärfte Variante der Mietpreisbremse fallen, wonach nur noch 8 Prozent der Modernisierungskosten auf die Mieter umlegbar sind. Dabei gilt auch eine neue Kappungsgrenze: Lag die Miete bisher unter 7 Euro pro Quadratmeter, darf der Vermieter nur 2 Euro auf den Quadratmeterpreis aufschlagen. Bei höheren Mieten ist eine Mieterhöhung von max. 3 Euro pro Quadratmeter und Monat zulässig, und zwar innerhalb von sechs Jahren.
immoverkauf24 Info: Was ist eine Musterfeststellungklage?
Die Musterfeststellungsklage bzw. Musterklage ist eine zivilrechtliche Verbandsklage, die erst seit dem 1. November 2018 im deutschen Recht möglich ist. Seitdem können Verbände oder Vereine in Vertretung für betroffene VerbraucherInnen deren Rechte gegenüber Unternehmen geltend machen. Die Verbraucher können von der Klage profitieren, sofern ihre Ansprüche mit dem Fall der Musterfeststellungsklage zusammenhängen und sie sich zum sogenannten Klageregister angemeldet haben. Eine Entscheidung bei der Musterfeststellungsklage kann per Vergleich stattfinden oder in Form eines Feststellungsurteils. Dieses ist dann Grundlage für individuelle Klagen der angemeldeten Verbraucherinnen und Verbraucher, mit der sie z.B. auf Schadensersatz klagen können.
Kann die Ankündigung als Beginn der Modernisierung gelten?
Die für das Gericht entscheidende Frage: Wie weit waren die Bauplanungen bei der Ankündigung der Modernisierungen bereits gediehen? Nach umfangreicher Recherche stellten die RichterInnen fest: Die Pläne hätten sich in einem so frühen Stadium befunden, dass sie nicht als Baubeginn definiert werden könnten. Deshalb sei nicht die frühere Version der Mietpreisbremse anzuwenden, sondern die spätere, verschärfte Variante.
Für viele MieterInnen bedeutet eine solche mildere Mieterhöhung nach neuem Recht, dass sie weiterhin in ihren vier Wänden wohnen bleiben können.