Negativzinsen: Zahlen Banken Kreditnehmern bald einen Zuschuss?
In 2019 sind die Kreditzinsen auf einen noch nie da gewesenen Tiefstand gesunken. Zwei Szenarien werden zurzeit diskutiert: Banken könnten Kreditnehmer mit einem Zuschuss belohnen – oder ihre Verluste durch erhöhte Kunden-Gebühren abpuffern. Immoverkauf24 erklärt, was Negativzinsen für Banken und Verbraucher bedeuten.
Warum sind Negativzinsen bei Verbraucherkrediten möglich?
Es klingt ein bisschen wie verkehrte Welt: Einen Immobilienkredit aufnehmen und keine Zinsen dafür bezahlen, sondern sogar einen Zuschuss von der Bank bekommen? Dieses Szenario geistert momentan durch die Nachrichten. Der Grund: Banken, die ihr Geld nicht in Umlauf bringen – z.B. durch Kredite –, müssen für das Parken des Geldes bei der Europäischen Zentralbank (EZB) Negativzinsen zahlen. Zurzeit sind es -0,5 Prozent. Deshalb könnte es attraktiver für die Banken sein, ihr Geld durch Kredite zu extrem günstigen Konditionen, nämlich sogar Zuschüsse an die Kreditnehmer, massiv in Umlauf zu bringen. Denn die Verluste, die die Bankhäuser durch eine solche Praxis einfahren würden, könnten weitaus geringer ausfallen, als die durch die EZB-Strafzinsen erlittenen Einbußen.
Gibt es schon deutsche Banken, die Minus-Zinsen anbieten?
Sollte der Minus-Zins beim Immobiliendarlehen tatsächlich kommen, würde dies im Grunde einem Bauzuschuss durch das jeweilige Kreditinstitut gleichkommen. Denn statt Zinsen auf die aufgenommene Summe zu zahlen, müsste der Kreditnehmer nicht einmal den gesamten Betrag zurückzahlen. Kleinere Kreditinstitute haben bereits mit Negativzinsen bei Ratenkrediten geworben. Bei Baukrediten gab es den Minus-Zins bisher nicht, jedoch ist das aktuelle Zinsniveau nicht mehr weit von der Null entfernt. So liegen bei einigen Banken die Konditionen für Kredite mit zehnjähriger Zinsbindung bei Kunden mit guter Bonität bereits unterhalb von 0,5 Prozent. „Kreditnehmer erleben in diesen Wochen eine nie da gewesene Entwicklung“, erklärt Interhyp-Vorständin Mirjam Mohr in einer Pressemitteilung und verweist auf Vergleichsergebnisse von 400 Banken, nach der schon Angebote von rund 0,4 Prozent pro Jahr möglich seien.
Wie wahrscheinlich sind negativ verzinste Baukredite?
Klingt gut – in der Theorie. In der Praxis hingegen warnen Experten vor zu großem Enthusiasmus. So dürfe man nicht vergessen, dass Spitzenkonditionen weiterhin nur den Kunden mit viel Eigenkapital und guter Bonität vorbehalten blieben. Bundesbankvorstand Joachim Würmeling betonte deshalb gegenüber dem Handelsblatt: „Negativzinsen machen die Kreditaufnahme aus Kundensicht attraktiver. Umso wichtiger ist es, dass die Banken ihre Kreditvergabestandards nicht lockern“. Und darauf achte die Bundesbank künftig noch genauer.
Den Minuszins bei Baukrediten für Otto Normalkunden halten Experten deshalb für unwahrscheinlich. Der Meinung ist auch Max Herbst von der FMH-Finanzberatung. „Es ist möglich, dass die Bauzinsen auf Null fallen, aber die Wahrscheinlichkeit negativ verzinster Immobilienkredite für die Masse ist minimal“, sagt der Experte gegenüber dem Focus.
Negativzinsen für Banken = erhöhte Kontoführungsgebühren für Kunden?
Wahrscheinlicher ist eine andere Entwicklung. Vielen Kreditinstituten geht es nicht gut: Sie verdienen wegen der aktuellen Zinssituation selbst nicht viel Geld und müssen an die EZB sogar noch Strafzinsen zahlen. Da liegt es nahe, die Negativzinsen abzufedern, indem man die Gebühren rund um das Girokonto erhöht. Laut Zentralbank und Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) zögen immer mehr Kreditinstitute dies in Betracht. Zunächst wären jedoch Geschäftskunden und vermögende Privatkunden betroffen. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.