Vorfälligkeitsentschädigungen fallen oft zu hoch aus
Verbraucher, die vorzeitig ihren Immobilienkredit kündigen, zahlen häufig eine zu hohe Vorfälligkeitsentschädigung, die Banken für den Zinsausfall verlangen. Das ergab eine Analyse des „Marktwächter Finanzen“-Teams der Verbraucherzentrale Bremen, die auf Daten zu 733 Darlehensverträgen aus den Jahren 2005 bis 2018 basiert, die zwischen 2017 und 2019 vorzeitig gekündigt wurden. Im Schnitt stellten die Banken ihren Kunden zehn Prozent der noch nicht getilgten Darlehenssumme in Rechnung, heißt es aus Bremen.
Banken nehmen zu geringe Abzüge für eingesparte Kosten vor
Demnach fiel die von den Banken geforderte Entschädigung in 77 Prozent der Fälle höher aus als der jeweils von den Verbraucherschützern ermittelte Betrag. Im Schnitt lag die Vorfälligkeitsentschädigung 5,2 Prozent über den ermittelten Kosten. Ein Großteil dieser Abweichungen geht laut Verbraucherschützern auf zu niedrig angesetzte Abzüge für eingesparte Risiko- und Verwaltungskosten zurück. Zur Erläuterung: Teil der Zinskosten, die Kreditnehmer zahlen, sind eben diese Risiko- und Verwaltungskosten, die Banken für einen möglichen Kreditausfall berechnen. Dieser Risikoaufschlag fällt bei Kündigung jedoch weg, aus der Vorfälligkeitsentschädigung wird er jedoch häufig nicht ausreichend herausgerechnet. So hatten die Banken in zwei Drittel der untersuchten Fälle diesen Posten mit weniger als 30 Euro angesetzt. Laut Rechtsprechung seien jedoch 30 bis 60 Euro als üblicher Wert anzusetzen, der nicht näher zu prüfen sei. Laut Stichprobe lagen die von den Banken genannten Werte zwischen 0 und 200 Euro.
Kritik üben die Verbraucherschützer auch daran, dass sich nicht alle Banken an die Vorgaben des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Berücksichtigung von Sondertilgungsrechten und Tilgungssatzänderungen halten: So seien Sondertilgungen oder maximale Tilgungssätze in mehr als acht Prozent der Fälle ignoriert worden.
Verbraucher fahren mit neuer Aktiv-Aktiv-Methode besser als bisher
Anders als die Banken haben die Verbraucherschützer die jeweilige Vorfälligkeitsentschädigung nicht anhand der so genannten Aktiv-Passiv-Methode, sondern nach dem Löw-Ansatz ermittelt (Edgar Löw, Professor an der Frankfurt School of Finance and Management). Diese sieht anders als die bisher gängige Methode keine Berücksichtigung des entgangenen Gewinns vor.
Wie die Auswertung dokumentiert, fahren Verbraucher mit dem von der Bremer Verbraucherzentrale angewandten Modell besser: In neun von zehn Fällen war die nach Löw ermittelte Vorfälligkeitsentschädigung geringer als bei der Aktiv-Passiv-Methode der Banken. Im Schnitt fiel sie um ein Drittel geringer aus.
„Spätestens aufgrund der Vorgaben der Wohnimmobilienkreditrichtlinie ist ein entgangener Gewinn nicht mehr zu entschädigen. Die Kreditwirtschaft nutzt die Vorfälligkeitsentschädigung als Lizenz zur Abzocke, damit muss endlich Schluss sein“, kritisiert Dorothea Mohn, Leiterin Team Finanzmarkt der Verbraucherzentrale Bundesverband. Der Verband setze sich darum dafür ein, die bisher üblichen Methoden durch eine faire und transparente Berechnung von Vorfälligkeitsentschädigungen zu ersetzen. Die bisherigen Verfahren seien nicht mehr rechtskonform, Alternativen stünden zur Verfügung, wie die Analyse gezeigt habe.
Kritik an fehlenden Handlungsempfehlungen
Die Kritik der Verbraucherschützer kommt nicht von ungefähr: So hatte das Bundesministerium für Justiz und für Verbraucherschutz im November 2018 gemeinsam mit dem Bundesfinanzministerium den Bericht der gemeinsamen Arbeitsgruppe Vorfälligkeitsentschädigung vorgestellt. Bisher hätten die beiden Ministerien jedoch keine Handlungsempfehlungen entwickelt. Eine Neuregelung bei der Umsetzung der EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie sei jedoch überfällig. „Verbraucher zahlen vorzeitig zurück, weil sie umziehen müssen. Sie dürfen dafür keinesfalls finanziell bestraft werden. DAs verbietet wortwörtlich auch die Richtlinie“, betont Mohn.