Neue Anforderungen an den geförderten Wohnungsbau in Hamburg
immoverkauf24-Interview mit Architekt Tim Schulenburg (Schulenburg Architekten) über die neuen Anforderungen im geförderten Wohnungsbau in Hamburg, die Auswirkungen der EnEV, die Folgen für Investoren und das Angebot an bezahlbarem Wohnraum.
Bild: 132 geförderte Wohnungen und Tiefgarage mit 94 Stellplätzen, Hamburg, Alsterdörfer Gärten; Schulenburg Architekten
immoverkauf24: Herr Schulenburg, wie haben sich die Anforderungen an den geförderten Wohnungsbau in Hamburg in den vergangenen Jahren verändert?
Tim Schulenburg: Die Anforderungen an den geförderten Wohnungsbau sind in den letzten Jahren eindeutig stark gestiegen. Die neue EnEV und der verschärfte Lärmschutz haben das Bauen erheblich verteuert. Auch die neuen Förderprogramme der IFB (Hamburgische Investitions- und Förderbank) wurden hinsichtlich ihrer Anforderungen verschärft und haben für eine zusätzliche Steigerung der Baukosten gesorgt. Die IFB hat in der Regel immer noch höhere Anforderungen bei ihren geförderten Immobilien als die EnEV verlangt. Als einer der wichtigsten Finanzierungspartner für geförderten Wohnungsbau in Hamburg legt sie für Investoren die Standards fest.
immoverkauf24: Welche Auswirkungen haben die gesetzlichen Neuregelungen auf den geförderten Wohnungsbau?
Tim Schulenburg: Die enorm gesteigerten Baukosten führen dazu, dass Kapitalanleger immer seltener in den geförderten Wohnungsbau investieren. Es ist einfach nicht mehr so rentabel. Auch wird von den Banken eine immer höhere Einbringung von Eigenkapital vorausgesetzt, was die Investitionsbedingungen immer schwieriger macht.
Den Hamburger Baugenossenschaften geht es zwar momentan sehr gut, doch auch hier wendet man sich vom sozialen Wohnungsbau ab. Kosten und Aufwand sind einfach zu hoch. Alle möchten, dass "bezahlbarer" Wohnraum entsteht, doch die gesetzlichen Auflagen und Forderungen wirken sich in der Praxis absolut negativ aus. Vom eigentlichen Ziel, mehr preiswerten Wohnraum zu schaffen, bewegt man sich weg.
immoverkauf24: Welche Rolle spielt die Energieeinsparverordnung EnEV hierbei?
Tim Schulenburg: Die Energieeinsparverordnung EnEV führt dazu, dass die Baukosten steigen. Es muss immer mehr in aufwendige Technik investiert werden, die die Energieeffizienz der Immobilie steigert. Manchmal sind jedoch die Investitionen im Vergleich zum energetischen Nutzen unverhältnismäßig. So werden in Mehrfamilienhäusern Biogasanlagen eingebaut, um Primärenergie zu sparen. Biogas ist jedoch teuer und das wirkt sich auf die Nebenkosten für den Mieter aus. Eine hocheffiziente Gasheizung kann zum Beispiel in den Kosten preiswerter sein als regenerative Energien.
Da über die Gebäudehülle, also Dämmung, die erforderlichen Werte in der Regel nicht erzielt werden können, wird sehr viel Technik eingesetzt. Diese muss gewartet werden und es entstehen zusätzliche Nebenkosten für die Mieter. Zum Beispiel durch die Anlagen zur kontrollierten Be- und Entlüftung, die regelmäßig kontrolliert und desinfiziert werden müssen, durch technisch komplexe Wärmepumpensysteme, die in der Wartung aufwendiger sind als eine Gasheizung etc.
immoverkauf24: Wie wirken sich diese hohen Anforderungen auf den Wohnungsmarkt für „bezahlbare“ Wohnungen im Raum Hamburg aus?
Tim Schulenburg: Investitionen in geförderten Wohnraum werden immer weniger getätigt, die Rendite ist einfach zu gering, da die Baukosten zu hoch sind. Kapitalanleger investieren lieber in konventionellen Wohnraum, hier ist das Verhältnis von Investition zu Miete einfach besser.
immoverkauf24: Was würden Sie sich als Architekt für die Zukunft des geförderten Wohnungsbaus vom Gesetzgeber wünschen?
Tim Schulenburg: Um den geförderten Wohnungsbau wieder attraktiv zu machen, müsste entweder die Sonder-AfA für solche Gebäude erneut eingeführt werden oder die Anforderungen der Energieeinsparverordnung und der IFB müssen speziell für den geförderten Wohnungsbau gesenkt werden. Wir brauchen die privaten Investoren, um den Druck aus dem Wohnungsmarkt zu nehmen. Die SAGA oder andere Genossenschaften können diese Aufgabe nicht alleine bewältigen.
immoverkauf24: Vielen Dank für das Interview!