4 Fragen zur Kreditvergabe für Immobilien
Mit der Finanzkrise 2008 und 2009 veränderte sich die globale Kreditwirtschaft. Banken und auch Staaten drohte die Insolvenz, Arbeitnehmer verloren Ihre Jobs und Kreditnehmer gerieten in finanzielle Schwierigkeiten. Ausschlaggebend hierfür war die u.a. leichtfertige Kreditvergabe der Banken, welche wiederum dazu führte, dass die Europäische Union in Zugzwang geriet und handelte. Am 4. Februar 2014 legten das Europäische Parlament und der Europäische Rat die Richtlinie für Wohnimmobilienkreditverträge vor, welche seit dem 21. März 2016 auch für das deutsche Recht gilt. Doch welche Veränderungen hat die Wohnimmobilienkreditrichtlinie (kurz: WIKR) seitdem mit sich gebracht? Und welches Ziel verfolgt sie genau?
Jan Kuchenbecker ist Finanzierungsberater und Experte für die Vergabe von Immobiliendarlehen. In unserem Experteninterview haben wir mit ihm über die WIKR gesprochen.
Kreditvergaberichtlinie für Immobilien – Unser Experte zum europaeinheitlichen Verbraucherschutz
immoverkauf24: Was war der genaue Hintergrund für die Durchsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie?
Jan Kuchenbecker: Der genaue Hintergrund für die Einführung ist aus folgenden Leitsatz der WIKR zu erkennen. „Die Kreditwürdigkeitsprüfung darf sich nicht hauptsächlich darauf stützen, dass der Wert der Wohnimmobilie den Kreditbetrag übersteigt oder auf die Annahme, dass der Wert der Immobilie zunimmt“. Das heißt, es soll aus Fehlern in der Vergangenheit, die zur Immobilienblase in den USA geführt haben, gelernt und zukünftig vermieden werden. Viele Imobilienwerte werden derzeit deutlich überschätzt. Die Bundesbank geht von einer Überbewertung von 10-20% aus. Die Kreditwürdigkeit, also die Bonität und der Eigenkapitaleinsatz spielen seit Einführung der WIKR eine mehr denn je übergeordnete Rolle.
immoverkauf24: Welche Ziele werden mit der europaeinheitlichen Kreditvergabe für Immobilien verfolgt?
Jan Kuchenbecker: Die Zielsetzung mit der höchsten Priorität sind die Vorkehrungen gegen eine Immobilienmarktkrise und Finanzmarktinstabilitäten. Somit soll ein funktionsfähiger Binnenmarkt sichergestellt werden. Des Weiteren steht der Verbraucherschutz im Vordergrund. Der Verbraucher soll vor einer möglichen Überschuldung geschützt werden. Folgende Änderungen sollen den Verbraucher vor Überschuldung schützen und zum Vorteil des Kreditnehmers ausgerichtet sein.
- Es werden die Vorgaben für den Kreditgeber zur Informations- und Transparenzpflicht verfolgt, in Form der Vorabinformationen zum Darlehen (ESIS-Merkblatt).
- Der Verbraucher muss über eine verantwortungsvolle Kreditaufnahme und Finanzbildung aufgeklärt werden.
- Beratungsstandards sollen einer Falschberatung vorbeugen.
- Kopplungsgeschäfte, die nicht im Zusammenhang mit dem Darlehen stehen, sind verboten. Der Verbraucher soll sich allein auf das Darlehen konzentrieren können.
- Zukünftig geringeres Einkommen des Kunden soll berücksichtigt werden, damit der Kreditnehmer bei Änderung seiner Lebensverhältnisse nicht überfordert ist, die Verbindlichkeiten zurückzuzahlen.
- Wirtschaftliche Risiken, wie z.B. das Zinsänderungsrisiko müssen berücksichtigt werden. Die Banken müssen mit einer höheren Annuität zum Zinsbindungsende kalkulieren, damit sie den Verbraucher auf mögliche Mehrkosten hinweisen können.
- Der Verbraucher muss über die Konsequenzen einer Zwangsvollstreckung hingewiesen werden.
- Das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Kreditnehmers muss vermindert / ausgeschlossen
immoverkauf24: Welche Auswirkung hat die WIKR auf den deutschen Finanzmarkt?
Jan Kuchenbecker: Durch die verschiedenen Vorgaben, wie z.B. die Sicherstellung der Rückführung der Verbindlichkeiten, sind die Anforderungen an die Kreditinstitute angestiegen. Weitere Ausgaben, Schulden, Einkommen, Vermögenswerte müssen berücksichtigt werden. Des weiteren müssen zukünftige Ereignisse, die die ordnungsgemäße Rückführung des Darlehens gefährdet, behandelt werden. Die Vorgaben der Wohnimmobilienkreditrichtlinie haben für die Kreditinstitute erhebliche Folgen, wie z.B.:
- Höherer Personalaufwand aufgrund höherer Ansprüche an die Kreditprüfung.
- Erhöhter Bürokratieaufwand z.B. durch Aufbewahrung und Zurverfügungstellung von Beratungsprotokollen.
- Längere Kreditentscheidungszeiträume, da insgesamt deutlich höherer Zeitaufwand bei der Prüfung. Das hat wiederum zur Folge, dass Kunden zum Teil keine Chance auf die Wunschimmobilie haben, da diese bereits durch Mitbewerber vergriffen ist, bevor die Bank eine Finanzierungsbestätigung ausgestellt hat.
- Erhöhtes Haftungsrisiko bei der Kreditvergabe für die Kreditinstitute.
Die Ergebnisse von Banken und Finanzierungsvermittlern haben sich trotz Einführung der WIKR nicht verschlechtert. Es ist sogar ein Anstieg des Baufinanzierungsvolumens erkennbar Gemäß offizieller Zahlen der deutschen Bundesbank erzielte der gesamte Bankensektor, also der Genossenschaftssektor z.B. Volksbanken, die Kreditbanken z.B. Commerzbank und der Sparkassensektor im zweiten Quartal 2016, trotz Einführung der WIKR im ersten Quartal, ein deutlich besseres Ergebnis, als im ersten Quartal.
immoverkauf24: Welche Bedingungen müssen Verbraucher bei der Kreditvergabe für Immobilien erfüllen?
Jan Kuchenbecker: Hauptkriterium der Darlehensvergabe liegt mehr denn je in der nachhaltigen Tragbarkeit der Finanzierung. Dabei sind folgenden Regeln für eine nachhaltige Finanzierung zu beachten:
- Die monatliche Belastung der Finanzierung sollte maximal 40% der Einkommen betragen.
- Eigenkapital sollte mindestens in Höhe der Nebenkosten, eher in Höhe von 20% vorliegen.
- Höhe des Eigenkapitaleinsatzes ist so zu wählen, dass mindestens zwei Monatseinkommen als Liquiditätsreserve übrig bleiben.
Zudem sind die Wohnkosten und Instandhaltungskosten bei der Berechnung der monatlichen Kosten mit einzukalkulieren:
- Modernisierungskosten, sollten aus Eigenkapital getragen werden können, dass diese nicht voll werterhöhend angesetzt werden können.
- Ratenkredite sollten umgeschuldet werden, wenn möglich.
- Des Weiteren müssen potenzielle Kreditnehmer natürlich eine positive SCHUFA aufweisen, ein unbefristetes Arbeitsverhältnis haben, bei Selbstständigkeit mindestens 3 Jahre nachweisbar tätig sein und ein deutsches Objekt erwerben.