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Verkehrssicherungspflichten – Die Aufgaben von Immobilieneigentümern

Recht 12.09.2019 Sina Borchert
Pflichten Immobilieneigentümer

Eigentum verpflichtet, und darunter fällt natürlich auch Immobilienbesitz. Welche Pflichten rund um die Immobilie Selbstnutzer und Vermieter haben, um den Versicherungsschutz aufrecht zu erhalten und nicht schadensersatzpflichtig zu werden, erklärt Sina Borchert, Immobilienkauffrau und Geschäftsführerin eines Hausverwaltungsunternehmens.

Verkehrssicherungspflichten gelten für jeden, der potentielle Gefahrenquellen schafft: neben Immmobilieneigentümern also z.B. auch für Ärzte, die ihre Patienten durch Behandlungen Gefahren aussetzen oder Unternehmen, die Baustellen errichten. Sie alle müssen dafür sorgen, dass Dritte nicht gefährdet werden. Was diese Pflichten ganz konkret sind, hängt natürlich von der Gefahrenquelle und vom Einzelfall ab.

immoverkauf24: Frau Borchert, für Immobilienbesitzer gelten sogenannte Verkehrssicherungspflichten. Was bedeutet das?

Sina Borchert: Das heißt, dass Immobilienbesitzer dafür Sorge tragen müssen, dass ihr Eigentum für sie und Dritte keine Gefahrenquelle darstellt, z.B. weil sich lockere Dachziegel lösen und herunterfallen.

immoverkauf24: Und was sind konkrete Pflichten für Immobilienbesitzer?

Sina Borchert: Die Verkehrssicherungspflicht bezieht sich grundsätzlich auf alle allgemein zugänglichen Bereiche eines Grundstücks bzw. einer Wohnanlage. Daraus ergeben sich für Eigentümer, und in besonderem Maße Vermieter, u.a. die Pflichten

  • Bäume zu prüfen,
  • ggf. für die Sicherheit von Spielplätzen zu sorgen und
  • Zugangs- und Gartenwege zu sichern.
  • Außerdem haben sie für sichere Einfriedungen wie Zäune und Hecken
  • sowie für einen sicheren Eingangsbereich zu sorgen und
  • technische Anlagen und Geräte zu warten.
  • Außerdem gibt es Räum- und Streupflichten.

Bäume müssen zweimal im Jahr kontrolliert werden, bei Anzeichen von Schäden vom Experten

immoverkauf24: Welche konkreten Pflichten haben Eigentümer in und um Garten und Grundstück?

Sina Borchert: Sie müssen prüfen, ob Bäume eine Gefahrenquelle auf ihrem Grundstück darstellen und sich versichern, dass sie standfest sind und keine Äste abzubrechen drohen. Laut Rechtsprechung müssen Immobilienbesitzer ihren Baumbestand zweimal im Jahr kontrollieren, nämlich mit und ohne Blattwerk. Eine Sichtkontrolle reicht dabei normalerweise aus. Nach Sturm und Gewitter sollten sie ihre Bäume aber unbedingt noch einmal zusätzlich unter die Lupe nehmen. Allerdings ist es für Laien schwer zu beurteilen, wie standfest Bäume sind. Deshalb ist es ratsam, vor allem bei alten und großen Bäumen, einen Baumkontrolleur hinzuzuziehen. Wenn es Anzeichen für Schäden oder Krankheiten am Baum gibt, muss in jedem Fall ein Experte beauftragt werden. Denn es gibt Gerichtsurteile, die eine Schadensersatzpflicht von Eigentümern bejaht haben, weil ihre geschädigten Bäume umstürzten – obwohl das für sie als Laien vorher nicht ersichtlich war.

immoverkauf24: Welche Pflichten gelten für die Grundstückgrenzen?

Sina Borchert: Wenn Gewächse aus dem Garten auch auf die öffentlichen Gehwege wuchern, müssen Eigentümer sie beschneiden, um z.B. Verkehrsschilder freizuhalten. Und von Stacheldraht oder Dornenhecken darf keine Verletzungsgefahr ausgehen – auch die also bescheiden. Wenn Eigentümer das auch nach Aufforderung nicht tun, kann es vorkommen, dass die Gemeinde ein Unternehmen beauftragt und die Kosten dem Eigentümer in Rechnung stellt.
Reichen Teile des Gebäudes auf andere Grundstücke oder auf öffentlichen Grund – z.B. Balkone oder Vordächer –, dann gilt es auch hier besonders drauf zu achten, dass keine Blumenkästen oder Dachziegel locker sind. Das also regelmäßig prüfen.

Für sichtbare Verkehrsschilder und um Verletzungen zu vermeiden: Ranken, Hecken & Äste beschneiden

immoverkauf24: Inwieweit müssen Eigentümer für die Sicherheit von Kindern sorgen?

Sina Borchert: Darum müssen sie sich kümmern, wenn sich Spielgeräte auf ihren Grundstücken befinden, die sie aufgestellt haben. Die sollten sie besonders sorgfältig kontrollieren. Und zwar auf Standfestigkeit und Funktionstüchtigkeit sowie Verletzungsgefahren. Wenn es Sandflächen zum Spielen gibt, gilt es die sauber zu halten. Und das Gras in der Umgebung der Spielplätze muss kurz geschnitten sein, damit Glasscherben, Splitter o.ä. bemerkt und entfernt werden können.

immoverkauf24: Was sind die Verkehrssicherungspflichten von Eigentümern an und in der Immobilie?

Sina Borchert: Auch dabei sind die allgemein zugänglichen Bereiche wie Eingangsbereich und Treppenhaus wichtig: Hier müssen Eigentümer regelmäßig Beleuchtung, Geländer und Stufen prüfen und Schäden schnellstmöglich reparieren. Und der Bodenbelag muss rutschfest sein. Um sich vor Schadensersatzansprüchen zu schützen, ist Eigentümern zu raten, bei wischnassen Böden Warnschilder aufzustellen.
Dann wäre natürlich noch das Dach zu nennen, das stellt eine besondere Gefahrenquelle dar. Lockere Dachziegel können für schwere Verletzungen sorgen, genau wie Regenrinnen, Antennen und Dachlawinenabsicherungen. Die sollten deshalb unbedingt regelmäßig überprüft werden.
In den Immobilien selbst gilt es elektronische, gefahrgeneigte Anlagen regelmäßig zu checken. Oder prüfen zu lassen, denn für Alarmanlagen in Aufzügen, Brandschutzvorrichtungen, elektrische Tiefgaragenrolltorsicherungen, Heizungstechnik oder Öltankanlagen braucht es in der Regel Fachleute. Fahrstuhl & Co. müssen ja in gewissen Abständen vom TÜV abgenommen werden.

Ausreichende Beleuchtung und rutschfeste Böden in Eingangsbereich und Fluren sind Pflicht

immoverkauf24: Welche Aufgaben umfasst die Räum- und Streupflicht?

Sina Borchert: Das Wichtigste ist, dass Grundstücke und Bürgersteige vor der Immobilie und angrenzende öffentliche Gehwege sicher begehbar sind. Das heißt, dass dort ein Streifen von ca. 1,20 m Breite von Schnee und Matsch befreit und gestreut werden muss. Wie oft gestreut werden muss, hängt vom Schneefall ab. Eigentümer und Mieter müssen natürlich nicht nachts zum Streuen aufstehen, aber von 7 Uhr bis 22 Uhr müssen die Wege sicher begehbar sein, an Sonn- und Feiertagen ab 9 Uhr.

Räumungspflicht

immoverkauf24: Und wer muss für gestreute und geräumte Wege sorgen – Eigentümer oder Mieter?

Sina Borchert: Grundsätzlich liegt die Verkehrssicherungspflicht beim Eigentümer – für das Streuen und Räumen von öffentlichen Wegen ist also eigentlich die Gemeinde oder die Stadt verantwortlich. Die geben diese Pflichten aber meist an die Anlieger und Hauseigentümer ab. Und die übertragen es wiederrum häufig an die Bewohner, so dass letztlich die Mieter Schnee und Eis oder rutschige Blätter vom Gehweg räumen müssen. Solche Mieterpflichten müssen übrigens eindeutig im Mietvertrag geregelt sein. Ein Absatz in der Hausordnung ist auch möglich, dann muss die Hausordnung jedoch Bestandteil des Mietvertrags sein. Die nötigen Gerätschaften wie Besen, Schneeräumer & Co. und auch die Streumittel stellt in der Regel der Vermieter, ansonsten gilt wieder, dass andere Regelungen im Mietvertrag festgehalten sein müssen. Ach ja, und selbst wenn der Vermieter diese Pflichten an die Mieter überträgt, ist er dennoch dafür verantwortlich zu prüfen, ob die Mieter den Pflichten auch tatsächlich nachkommen – es sind also auch mal Kontrollgänge nötig.

Schneeräumpflichten: Salz ist meist verboten!

immoverkauf24: Gibt es Vorschriften, womit gestreut werden soll?

Sina Borchert: Ja, allerdings wird das in Städten und Gemeinden unterschiedlich gehandhabt. Aber in vielen Städten ist Salz als Streumittel verboten, weil es Pflanzen und Grundwasser schädigt. Dann gilt es auf Sand, Rollsplit oder Kies zurückzugreifen. In München, Hamburg oder Stuttgart werden sogar Geldbußen für den privaten Einsatz von Streusalz verhängt, in Düsseldorf ist es jedoch erlaubt. Welche Vorgaben im jeweiligen Wohnort gelten, kann bei der Kommune nachgefragt werden. Manche Städte haben auch eine Winterdienst-Hotline.

immoverkauf24: Was ist mit älteren Bewohnern? Sind die auch zu Streu- und Räumarbeiten verpflichtet?

Sina Borchert: Nein, alte und kranke Mieter sind nicht verpflichtet, auch wenn das im Mietvertrag steht. Das haben inzwischen verschiedene Landgerichte entschieden. Vermieter müssen sich dann selbst kümmern oder ein Unternehmen beauftragen. Solche durch das Alter eingeschränkten Mieter müssen aber den Eigentümer informieren und ihm begründen, warum sie der Streupflicht nicht nachkommen können.

immoverkauf24: Wie sieht es mit der Pflege von Zugangs- und Gartenwegen aus, wenn es nicht schneit?

Sina Borchert: Auch dann müssen sich Eigentümer natürlich darum kümmern, damit Bewohner und Besucher sicher unterwegs sein können. Das heißt, sie müssen Unebenheiten oder Hindernisse wie lockere oder hervorragende Pflastersteine befestigen, marode Stufen reparieren, Löcher füllen und dafür sorgen, dass die Wege und der Eingangsbereich gut beleuchtet sind.

Bei Pflichtverletzung können Schadensersatzzahlungen oder sogar Freiheitsstrafen drohen

immoverkauf24: Was droht Eigentümern, wenn sie ihre Verkehrssicherungspflicht vernachlässigen?

Sina Borchert: Im schlimmsten Fallen kommen Menschen zu Schaden. Und wenn Eigentümer fahrlässig gegen ihre Pflichten verstoßen haben, können hohe Schadensersatzzahlungen auf sie zukommen. Bei schuldhafter Pflichtverletzung, wenn also ein Grundeigentümer etwa offensichtliche Schäden am Baum einfach ignoriert hat und dieser dann Menschen verletzt, gilt das sogar eine Körperverletzung. Das kann sogar zu Freiheitstrafen führen. Aber natürlich gilt auch: Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch wegen vernachlässigter Verkehrssicherungspflichten von Eigentümern ist, dass der oder die Geschädigte auch befugt war, sich auf dem Grundstück zu bewegen. Wer sich in Beeten rumtreibt und sich dabei an der Rosenranke verletzt, hat wahrscheinlich keinen Anspruch. In jedem Fall sollten Grundeigentümer nachweisen können, dass sie alles unternommen haben, um der gebotenen Sorgfaltspflicht zu entsprechen – dann sind sie auf der sicheren Seite. Kommt es nämlich zu einem Verfahren, müssen die Eigentümer den Nachweis erbringen, nicht der Geschädigte.

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